Diese unendliche Faszination, wenn man endlich einen Mechanismus begriffen hat. Ja, das ist es! Leuchtende Augen, wenn klar wird: Wasser und Sonnenlicht sind die Nahrung dieses kleinen Samens, den man gerade in die Erde gelegt hat. Dann wächst er, macht Photosynthese, wird zu einem großen starken Baum – all das kann man begeistert in Büchern nachlesen, mit Bildern. Wie die Wurzeln sich im Laufe der Zeit ausbreiten, unsichtbar für uns, und doch so wichtig für den Wald!
Allgemein erfüllen Triumph, Stolz oder Begeisterung, schiere Freude den verstehenden Menschen. Ein Problem zu lösen, an dem man lange herumgetüftelt hat, das befriedigt. Die Welt zu verstehen, um sich selbst mit ein wenig mehr Licht der Wahrheit zu umgeben. Irgendwo gibt es immer eine Antwort. Diese zu finden ist unsere Mission. Das glauben wir, auch wenn wir das nicht wissen. Kein Tag vergeht, an dem wir nicht versuchen, etwas zu verstehen.
Das heißt allerdings nicht, dass wir immer glücklich sind, wenn wir verstehen. Oder dass wir handeln, wenn wir wissen. Eigentlich will man nur wissen, was man vorher schon wusste, dass es einem gefallen würde, wenn dem so wäre. Alles andere will man gar nicht wirklich verstehen. Da sperrt man sich lieber. Denn was viele wissen, aber nicht verstehen wollen: wenn man versteht, fühlt man sich auch genötigt zu handeln. Undzwar so, dass es zum Verständnis passt. Man fühlt sich ja doch irgendwie ertappt, wenn man zum zweiten Dessert greift. Denn irgendwie weiß man ja, dass man das gar nicht nötig hat und es eigentlich ausschließlich negative Konsequenzen hat, langfristig jedenfalls. Aber wenn man das wirklich verstünde, ja, wenn man jetzt sagte: „Das Glück des zweiten Desserts währt nur wenige Minuten, danach lebe ich mit allerlei für mich negativen Konsequenzen“, nun, dann würde man es ja auch nicht mehr tun. Dann müsste man diese kleine Mauer überspringen, die einen in der unmittelbaren Komfortzone hält. Und diese ist doch eigentlich recht bequem.
Warum strebt der Mensch nach dem Verständnis von Weltall, Ozean und Ökonomie – aber nicht danach, sein eigenes Leben zu verstehen? Man will immer nur die großen Zusammenhänge, ohne die Details und bitte auch nur die, die möglichst weit vom Mensch entfernt sind. Ins All reisen müsst‘ man können. Das Bermudadreieck, das ist mal ein Rätsel! Wie gestaltet sich die Relation von Sonneneruptionen und technischen Störungen? Und wenn es doch mal um dem Menschen geht, dann will man wissen: woher kommen wir? Wohin gehen wir? Können wir unser Bewusstsein auf einen Computer hochladen? Was unterscheidet den Mensch, moralisch, vom Tier (natürlich gibt es einen Unterschied!!)? Warum muss ausgerechnet ich dieses Leid ertragen?
Das sind alles sehr gute Fragen. Mich interessieren sie auch alle. Bis auf die Sache mit den Sonneneruptionen, daraus mache ich mir nicht viel (die Relation scheint ja auch nicht sehr signifikant). Mich interessiert eher, warum ich so handle, wie ich handle. Und ich will gar nicht wissen, welche Neuronen da herumfeuern (haben die einen Waffenschein oder leben sie in den USA?), welche Hormone Partys feiern und welche lieber schlafen. Ich suche nach Beweggründen. Dinge, die ich verstehen kann ohne vorher Professor der Neuro-irgendetwas oder Psychologie zu sein. Nicht das Allgemeine, sondern das Besondere finde ich wichtig. Denn letztendlich lebe ich nur mein Leben und das hängt zwar mit unendlich vielen Dingen und Lebewesen zusammen, doch steuern kann ich doch nur mich. Es ist so leicht, sich im Allgemeinen zu verlieren. Immer die Außenperspektive, immer der Vogel sein, der die Welt betrachtet. Maßstäbe, Normen, Gesetze – danach kann man sich ausrichten. Ganz nebenbei vergisst man sich selbst. Dabei ist man selbst das allererste Rätsel, mit dem man je in Kontakt kommt. Trotzdem will man es ignorieren, totschweigen, nicht für wahr haben was de facto existiert.
Zu verstehen ist auch nicht angenehm. Jedenfalls erscheint mir bereits der Versuch schon unbequem. Manchmal habe ich Angst. Ich fürchte mich vor mehr, als ich dachte. Vor Kleinigkeiten und vor großen Dingen. Ich bin nicht perfekt. Das ist nicht einfach ein allgemeiner Fakt (nobody is perfect), sondern man kann doch auf ganz konkrete Dinge zeigen. Diese Dinge zu kennen, lernt mich aber verstehen, wieso ich etwas tu, oder nicht. Warum ich mich so fühle, wie ich mich fühle. Was treibt mich an, was wünsche ich mir? Motiviert mich morgens die Schönheit des Lebens oder das Wissen, dass man mit Geld tolle Sachen kaufen kann? Als Student scheidet die zweite Möglichkeit für mich natürlich aus, aber die besten Intentionen und das heitedeite-friedefreudeeierkuchen-Grinsen sind nicht immer das, was täglich aus meinem Inneren hervor bricht. Aber meine Augen leuchten irgendwie trotzdem. Wenn ich ehrlich bin, ist es auch okay sowas zu verstehen. Wie soll ich schließlich auch etwas ändern, wenn ich nicht weiß was ich ändern soll? Wenn man den Klimawandel leugnet, kann man ihn ja auch nicht stoppen. Das muss man erst einmal wissen. Und dann verstehen.