Stoisch statt stürmisch #1

stoicism_by_peterio

Picture by Peterio (DeviantArt)

Sto-i-zis-mus. Das ist keine Krankheit. Es ist eine Philosophie bzw. philosophische Schule, oder eine Lebenseinstellung, die aus dem antiken Griechenland kommt. Man denke so an 300 vor Christus.
Man hört häufiger mal das Klishee des Stoikers: jemand, der seine Emotionen unterdrückt und weder besonders glücklich noch traurig ist, sondern auf einem Nullpunkt vor sich hinlebt. Nichts kann sie aus der Bahn bringen. Keine Schmach macht ihm etwas aus. Nun, ganz so ist das nicht. Wie bei vielen Begriffen muss man auch hier differenzieren. Es gibt schließlich auch nicht den Schriftsteller oder den Utilitaristen (hah, noch mehr Philosophie!).

Beginnen wir unsere Exkursion durch die Stoa also mit einer Person: Epictetus. Und mit einem Text: „Enchiridion“. Für diesen Herr war in diesem Text eine Unterscheidung besonders wichtig. Worüber haben wir direkte Kontrolle und worüber nicht? Tatsächlich können wir laut Epictetus nur unmittelbar beeinflussen, was zu unserem Geist gehört – dem denkenden Ich. Denn was unserem Körper widerfährt, können wir nicht immer kontrollieren. Wie das Wetter ist, können wir nicht kontrollieren. Ob jemand sein Versprechen hält, können wir nicht kontrollieren. Was wir besitzen oder nicht, Freundschaften, Familie, Ansehen und Ämter – all das hängt von vielen Faktoren ab, auf die wir kaum Einfluss nehmen können. Tja, und deshalb sollten uns diese Dinge auch nicht so sehr interessieren.
Wichtiger ist, was wir tatsächlich selbst in der Hand haben: was wir denken, wie wir die Welt betrachten und wie sehr wir uns auf unsere Emotionen einlassen. Nur solche Dinge, über die wir Macht verfügen, sollten wir begehren, alles andere sind lediglich Fakten, die kaum Bedeutung für uns haben sollten. Wie kann man sich das konkret vorstellen?

Beispiel 1: der Traumberuf
Viele sehnen sich nach einem Beruf, der sie ausfüllt, der ihnen Spaß macht. Es wäre wirklich schön, diesen Traumberuf zu haben. Dennoch, letztendlich können wir nicht garantieren, dass wir diesen Beruf jemals haben werden und dann auch behalten. Deshalb setzt ein Stoiker sein Glück nicht auf das Ungewisse. Der Stoiker kann sein Bestes geben in dem was er tut und Gelegenheiten für Veränderungen nutzen. Doch er strebt nicht aktiv nach seinem Traumjob, es ist nicht sein Mittel zum Glück, er lässt nicht alle Gedanken und Energien dorthin fließen. Stattdessen nimmt er seine Situation so, wie sie ist. Wenn sie sich ändert und ihm das gefällt, dann ist das nett. Nichts einzuwenden gegen angenehme Arbeit und ein gutes Auskommen. Doch solange die Stoikerin das nicht hat, beurteilt sie es nicht negativ, stöhnt nicht vor Unmut und ist auch nicht unglücklich. Sie macht das Beste aus der Situation.

Beispiel 2: die Lieblingstasse
Ein Beispiel, das auch Epictetus nutzt ist die Lieblingstasse. Sie zerbricht. Was nun? Traurig sein? Wütend? Nun, sieh es mal stoisch: es ist eine Tasse, die zerbrochen ist. Das ist ein Fakt, den du nicht ändern kannst. Allerdings kannst du entscheiden, wie du das beurteilst. Tragik oder Gegebenheit, ein Ende oder eine neue Möglichkeit – das liegt in deiner Hand. Außerdem würde Epictetus in etwa fragen: ob deine Tasse zerbricht oder die eines Anderen – was ist da der Unterschied? Wieso ist deine Tasse wichtiger als eine Andere?

Und das gilt auch für
Beispiel 3: die Liebsten
Freunde und Familie bedeuten uns viel. Aber der Stoiker weiß um die Natur der Dinge, auch um die Natur des Lebenden: es lebt und irgendwann stirbt es. So wie die Tasse heil ist und irgendwann kaputt gehen wird, zu deinen Lebzeiten oder später. Daher ist es aus stoischer Sicht unsinnig zu hoffen, dass die Liebsten ewig leben. Das tun sie nicht. Das zu beeinflussen steht nicht in deiner Macht. Du kannst nur entscheiden, wie du damit umgehst.

Der Kniff ist, die Natur zu erkennen und zu akzeptieren und sich nicht an Dinge zu klammern über deren Zukunft und Gegenwart wir nicht entscheiden können. Das tut der Stoiker im Sinne von Epictetus.

Unser Freund Epictetus hat darauf basierend auch noch eine Menge Tipps für das Leben in Alltag und Gesellschaft. Ein paar Kernpunkte sind:

  • Meide die Massen. Sie könnten einen negativen Einfluss auf dich haben.
  • Sei bescheiden und proll nicht. Immerhin sehnst du dich als Stoiker ja nicht nach Autos, Villen etc.
  • Rede nicht zu viel
  • Was auch immer andere tun und sagen, lass dich davon nicht unterkriegen. Es ist ihr Problem, wenn sie dich in einem falschen Licht sehen und Beleidigungen gibt es erst, wenn du dich entscheidest, beleidigt zu sein.

Epictetus rät uns also, nicht viel auf das zu geben, das wir nicht frei beeinflussen können. Denn wenn wir uns so sehr auf dergleichen konzentrieren, werden wir zwangsweise irgendwann enttäuscht. Aber das muss nicht sein. Es liegt in unserer Hand.


So viel zu Epictetus und sein Stoizismus.
Ich persönlich finde, dass viel Wahres daran ist. Tatsächlich ist es ja meine Sache, wie ich die Welt beurteile oder ob ich überhaupt ein Urteil fälle. Mein Glück mache ich schon seit längerem nicht von Zielen oder Wünschen abhängig, sondern so gut es geht nur von dem, was ich habe. Mit oder ohne Kuchen, schön ist der Tag fast immer.
Für mich hat Epictetus Schrift jedoch immer den feinen Beigeschmack, dass man sich generell nicht für Wünsche einsetzen sollte. Allerdings scheint er dies nicht konkret zu sagen, weshalb ich ihm das auch nicht in den Mund legen möchte. Ich denke auch, dass man durchaus auf Ziele hinarbeiten kann, selbst als Stoiker. Schließlich kann man sich etwas wünschen ohne sein derzeitiges Wohlbefinden davon abhängig zu machen oder frustriert zu sein, wenn man nicht erreicht was man will. Wenn die Ziele keine Notwendigkeiten darstellen, sondern Wegweiser, denen man folgt solange es möglich ist, dann scheint es mir noch immer stoisch, etwas zu wünschen. Vielleicht muss man in diesem Sinne den Unterschied machen zwischen wünschen und wollen.
Ich will nicht erfolgreich Bücher publizieren, ich wünsche es mir, und wenn es nicht klappt, dann gehe ich einen anderen Weg.

Was sagst du zum sotischen Leben, mein werter Gruftbesucher? Stimmst du Epictetus zu, oder siehst du das ganz anders? Oh, und falls du „Enchiridion“ gelesen hast, sage ruhig auch gerne deine Meinung zu meiner Darstellung. Es ist selbstverständlich eine gefilterte, nicht vollständige Wiedergabe seines Textes. Du findetst den Text ganz einfach online, nutze eine Suchmaschine deiner Wahl (oder gehe in die Bibliothek, die hat das vielleicht auch als Buch zum Anfassen).

Man liest sich.
Deine Nekromantika

Post scriptum: #1 steht für den ersten Teil einer Seire von Beiträgen zum Thema Stoizismus 😉

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