Einst gab es die Genügsamkeit

Es war einmal, vor sehr langer Zeit, da waren die Menschen genügsam. Sie waren zufrieden mit dem, was sie hatten, und strebten nach Neuem nur dann, wenn sie es auch nach reiflicher Überlegung noch für sinnvoll hielten.

Oh! Halt, warte! Falsche Gesichte. So eine Zeit gab es ja nie. Widerspricht allein schon der Definition von „Mensch“. Pardon. Soll nicht wieder vorkommen.
Nun, werter Gruftbesucher, wenn ich dir kein Märchen erzähle: was ist dann mein Vorhaben zu dieser späten (bald Mitternacht) Stunde? Ganz einfach. Ich möchte ein wenig über Genügsamkeit plaudern. Strukturiert unstrukturiert wie immer. Ein tagebuchartiges Gedankengekritzel mit Anspruch auf Moral und Werte, weltverändernd wie immer. Du kennst mich ja.
Genügsamkeit, jaja. Bescheidenheit, sagt man auch dazu. Entsagend. Schauen wir uns zunächst einmal die Worte an sich an. Genügsamkeit: genügend. Man hat genügend, begnügt sich mit wenig man braucht nicht mehr, man ist zufrieden, vergnügt. Bescheidenheit: bescheiden, lebt mit wenig, durchaus als Tugend bekannt. Entsagend: man entsagt. Was entsagt man? Dem Unnützen. Dem Pömp. All dem, was man nicht zum Leben braucht.
Doch was braucht man eigentlich zum Leben? Sicher: Luft, Essen, Trinken, einen wettergeschützten Unterschlupf. Weiterhin Familie/Freunde, Arbeit, das ein oder andere Häppchen für die Seele. Weißt du, lieber Mitfreak, genau bei diesem Häppchen für die Seele liegt doch das Problem. Was ist das? Wie viel braucht man davon? Wo ist die Grenze? Ich freue mich über einen guten Tee. Aber auch über einen neuen Kühlschrank (meiner ist etwas … nass … *hüstel*). Auch über eine coole Karre mit einem privaten Chauffeur würde ich mich freuen! Und, sicher, mein Seelenwohl wäre damit definitiv mehr gegeben! Meine Güte, ja, das wäre fantastisch!
Diese drei genannten Häppchen für die Seele unterscheiden sich allerdings maßgeblich. Das erste ist einfach, fast schon banal, leicht zu haben, elementar, könnte man meinen. Das zweite teuer, aber nützlich, sehr essentiell für ein reibungsloses Leben in unserer Zeit und Gesellschaft. Das dritte ist Luxus, nicht essentiell von Nöten, aber dennoch praktisch und erleichtert das Leben – dafür aber sehr teuer (ehrlich, ich könnte mir eher eine Erstausgabe von Eddy P. leisten, langfristig gesehen günstiger… und dennoch utopisch ;() Was davon also brauche ich nun wirklich, um glücklich zu sein, wenn mich doch jedes Einzelne davon glücklicher macht? Langfristig glücklich, sei gesagt.
Seien wir mal realistisch. Auf einen Chauffeur mit cooler Karre kann ich verzichten. Ich meine – Hey! – die Tram fährt ja und zur Uni sind es auch nur Fuffzehn Minuten zu Fuß. Es gibt gute Alternativen. Ein Kühlschrank hingegen … nun, noch funktioniert der Alte. Sicherlich, ich sollte für einen Neuen sparen, aber eilig ist es noch nicht. Bleibt der Tee. Ein guter Assam mit Milch oder ein raffinierter, kräftiger Earl Gray am Morgen, ein Grüner jeder Zeit, ein Fruchtiger mit viel Honig zur Aufmunterung zwischendurch und ein guter Kräutertee zur Wellnessbehandlung am Abend, oder wann immer man meint, sich etwas Gutes tun zu müssen. Es gibt keinen Ersatz für Tee. Niemals! Tee ist die Essenz des Lebens. Nun, immerhin fast, irgendwie.

Ja, ich schwelge in seliger Erinnerung an den heutigen Morgen. Als das Licht der Sonne trotz aller wölkischer Gegenproteste ihre Strahlen ausstreckte, um mein müdes Gesicht in der Küche zu liebkosen, mich aufzumuntern, aufzuwecken und mir meinen wunderbaren, geliebten Earl mehr zu versüßen, als ein Akazienhonig es je könnte. Welch eine Wonne! Was brauche ich Chauffeur und Kühlschrank, wenn die Natur mich mit ihren Gaben umgibt, mir hier ein Licht, dort eine Frucht reicht?
Ich komme zu dem Schluss, dass ich mir in den letzten Jahren mehr gegönnt habe, als ich brauchte. Kleidung, Essen, Trinken, Technik und vieles mehr – doch nur einige Wochen oder Monate in Gebrauch. Schlimmer noch! Ich gönnte mir nicht alle paar Wochen ein leckeres Mal außerhalb der Familienkost, nein, ich kaufte mir hier etwas Naschkram, dort ein Brötchen/eine Mahlzeit in der Schule/Uni, da einen Kaffee in der Stadt usw. usf. Kleidung, die ich nach einem halben Jahr nicht mehr mochte. Technik, die ich gar nicht benötigte.

Warum? Genusssucht! Verschwendertum! Gier! Wahnsinn!
Vielleicht. Vielleicht auch einfach der natürliche Drang des Menschen, nach Mehr zu streben. Nach Befriedigung und Glückseligkeit in den Gütern unserer Konsumgesellschaft. Dabei ist das totaler Schwachsinn. Nicht ein neuer, toller, Rock im viktorianischen Stil mit verspielten Elementen macht mich glücklich, sondern einfach der Moment, in dem mich ein warmer Earl Gray durchströmt. Nicht ein leckerer Kuchen beflügelt meine Seele, sondern eine herzhafte Umarmung.

Und dennoch … die Grenzen sind nicht klar. Natürlich gibt es Momente, in denen ein Kuchen das einzige ist, was mich vom rumheueln abhält. Mein neuster Rock lockt mein breitestes Grinsen auf mein Gesicht, wenn ich ihn nur ansehe! Und so ein total toller Chauffeur, vielleicht auch noch Butler, namentlich Sebastian … (Anime-Fans: high five!) Es ist ebenso schwer, zu entscheiden.
Aber ich denke, es gibt da einen Richtwert. Man muss ehrlich zu sich selbst sein, sich aufrichtig fragen: Will ich das? Brauche ich das? Brauche ich meinen Earl? Ja! Brauche ich ein süßes Gebäck, obwohl ich in zwei Stunde zu Hause bin und dort allerlei Süßes auf mich wartet? Nein! Brauche ich neue Kleidung? Nein. Brauche ich ein 2-3 Hundährt Euronen schweres Grafiktablett? Ja, ich liebe zeichnen, Grafiken, Fotobearbeitung und denke schon seit einem Jahr über eine Neues nach.

Gut. Genügsamkeit ahoi! Ich schätze, ich sollte mich mehr darauf besinnen, was ich tatsächlich brauche. Und siehe da! Sogleich fällt mir auf, dass eine Portion Reis/Kartoffelpü/Nudeln um einiges besser ist, als ein Mensaessen, welches, gelinde gesagt, wenig überzeugt. Oder einfach mal eine Paprika mitnehmen. Mein Geldbeutel wird es mir danken, wenn ich mich auf die Basics besinne. Darauf, was wichtig ist. Was mir wichtig ist. Das ist gar nicht mal so viel, wie ich dachte.

Ich habe heute dem Kauf eines verlockenden Instant-Mampf-Produktes widerstanden. Fühlt sich eigentlich gut an. Genügsamkeit ist toll. Man muss sich nur daran erinnern, dass es sie gibt. Einmal gegeben hat … einst… damals… oder?

Bleib gruftig, du Freak :3
Deine Nekromantika

 

2 Kommentare zu “Einst gab es die Genügsamkeit

  1. Wäre ich reich, wäre ein Auto mit Chauffeur eine meiner ersten Anschaffungen. Aber da das auch für reiche Leute reichlich Geld kosten würde, könnte er dann auch gleich rumbutlern. Wär ja auch langweilig nur rumzusitzen.
    Ich versuche auch, nicht sinnlos zu konsumieren, aber man sollte auch mit sich selber großzügig sein. Und sich nichts verkneifen, was über einen längeren Zeitraum wichtiger ist, als man erst denkt. Eine häßliche Aussicht z. B. scheint zuerst übersehbar, aber auf Dauer drückt das aufs Gemüt.

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