Hinweis: der folgende Beitrag ist ein klein wenig zynisch geworden und spiegelt eine gewisse Wut meinerseits wieder. Bitte nimm es nicht persönlich, liebster Gruftbesucher. Es sei denn, du hast guten Grund, dich angesprochen zu fühlen. Dann schreib es dir hinter die Ohren.
Gesichtsbuch, umgangssprachlich auch Fratzenbuch genannt, ist eine Zwischennetzplatform, welche es seinen Nutzern ermöglicht, mit jedem anderen Nutzer in Kontakt zu treten. Die Kommunikation kann auf vielen Wegen erfolgen: durch Texte, Smileys, Videos, teilen von Beiträgen, Beiträge mögen usw.
Kommunikation ist in einer sich stets weiter globalisierenden Welt ein wichtiger Bestandteil der Gesellschaft. Daher kann man, ohne sich weiter damit beschäftigt zu haben, behaupten, Gesichtsbuch sei eine wunderbare Einrichtung. Sicherlich hat weltweite Kommunikation etwas für sich.
Aber. ABER! Nein.
Also doch, schon. Aber. ABER!
Nun, es ist doch folgendermaßen. Seien wir mal ehrlich. Blicken wir der Wahrheit in ihr grausames Antlitz: Fratzenbuch ist böse. Und ich meine damit nicht nur Antagonisten-Böse. Wir alle wissen es. Schon lange. Unsere Daten sind nicht nur nicht sicher, sondern sie werden missbraucht, vergewaltigt, verkauft, versklavt. Überall. Doch normalerweise ist das nie so offensichtlich. Und normalerweise sind die meisten Dienste, die wir nutzen, auch nur groß und nicht gigantisch. Anders jedoch das Buch der Gesichter.
Eine kurze Exkursion: Es heißt nicht ohne Grund Gesichtsbuch. Tatsächlich gibt es auf dieser Platform eine Gesichtserkennung. Jedes persönliche Foto kann erkannt, kategorisiert und vermarktet werden. Mit aller Sicherheit wird es Jahre, wenn nicht gar ewig, gespeichert. Eine ständig wachsende Bibliothek voller Gesichter – und aller Daten, die zu den Gesichtern gehören.
Fratzenbuch hat nicht nur viele Nutzer. Es lässt sich ständig neue Dinge einfallen, wie es Nutzer generieren und manipulieren, anziehen, festkleben, hypnotisieren kann. Wie ein besonders widerliches Kaugummi, das aber durch seine coole Verpackung besticht. Mittlerweile hat es auch WasIstAnwendung aufgekauft. Noch mehr Daten, das heißt: mehr Bilder, Gespräche, Intimitäten. Mehr Gesichter für das Buch.
Und weiter geht es. Es reicht eine klickbare Verbindung, ein Mögen, auf einer Seite und SCHWUPPS schon erfährt Gesichtsbuch alles, was es wissen möchte. Dass du da warst, woher du kamst usw.
Ist das nicht schön? Endlich keine Privatsphäre mehr! Bah, wie scheiße ist das auch, so ganz alleine, ganz anonym, nur Freunde im echten Leben? Wer will das schon!
Google ist dein Freund. Aber Gesichtsbuch ist dein allerbester Freund. Google weiß viel über dich. Aber Gesichtsbuch weiß alles. Gesichtsbuch weiß sogar mehr über dich, als du selbst. Kann man sich einen besseren Freund wünschen? Oh Gesichtsbuch, bin ich schwanger? Gesichtsbuch, wen soll ich heiraten? Gesichtsbuch, welche Kornflocken schmecken mir heute morgen am Besten? Gesichtsbuch liebt dich, gib ihm Daten, dann freut es sich. Du willst doch, dass dein Freund sich freut, oder? Na dann los! Lass ihm eine Statusnachricht da.
Nun, ja, ich weiß. Ich bin etwas zynisch. Aber jedes Mal, wenn ich an Gesichtsbuch denke, denke ich an Skynet. Assoziationen sind nie vollkommen ohne Grund, weißt du …
Doch, lieber Mitfreak, eines finde ich noch schlimmer als Fratzenbuch selbst. Ich meine, natürlich kann ich dem Datenverschlinger einfach fern bleiben. Genau das tu ich auch. Standhaft. Nicht jeder jedoch vermag dies zu akzeptieren.
„Schaff dir doch endlich mal Facebook an.“ Heißt es. Monatlich. „Da du ja nicht auf Facebook bist, muss ich dir den Link halt auf fast schon analogem Weg schicken.“, schrieb mir neulich ein Kommilitone. „X und ich spielen gerade Scrabble. Du könntest dabei sein.“, „Was ist denn so schlimm an Facebook?“, „Du nutzt doch Whatsapp, dann kannst du auch Facebook nutzen,“, „Bei Whatsapp gibst du viel mehr über dich preis.“, „Du kannst doch kontrollieren, was du likest und was nicht. Like doch einfach gar nichts.“ usw. usf.
Manchmal argumentiere ich. Was ist so schlimm daran, eine elektronische Post zu verschicken? Scrabble gibt es auch als Brettspiel. Gesichtsbuch nimmt sich allen Mist heraus und reibt dir das auch noch unter die Nase – und dir ist das egal? Ich nutze WasIstAnwendung, ja. Weil es mittlerweile in der Universität kaum noch anders geht. Eine Sms kommt meistens kaum an, da kein Netz, und alle haben so wenig Zeit, dass man sich spontan verabreden muss, um seine Gruppenarbeit zu wuppen. Es gibt spontane Änderungen, die man am schnellsten über WasIstAnwendung mitbekommt. Außerdem habe ich dafür bezahlt. Bevor Fratzenbuch ankam und mir das Leben zur Hölle gemacht hat. Nein, ich gebe nicht mehr über mich preis. Nichts mögen geht doch auch nicht, dann bist du doch beleidigt, wenn ich dein Zeugs nicht lobpreise.
Ich bin im Moment am Überlegen, auch WasIstAnwendung zu löschen. Es ist ungemein praktisch und ohne wird mein Leben verdammt schwierig. Doch ihr kotzt mich einfach alle an, die ihr mich einfach nicht in Ruhe lassen könnt. STECK DIR DEIN GESICHTSBUCH SONSTWOHIN. Lieber gebe ich die Annehmlichkeiten schneller und effektiver Kommunikation auf, als mich weiter rechtfertigen zu müssen. Was ist so schwer daran, ein nein zu akzeptieren? So unmöglich daran, mal „okay, dann schreibe ich dir ne Mail“ zu sagen? Man kann übrigens seine Mails auf sein Handy weiterleiten. Dann kann man darauf genau so schnell antworten wie auf eine Chatnachricht. NIMM DAS, FRATZENBUCH!
Vielleicht habe ich keine wirklich wirklich guten Argumente gegen Fratzenbuch. Außer Skynet. Mittlerweile jedoch bin ich bereit, alleine aus Prinzip, aus Trotz, aus Sturköpfigkeit mag man es vielleicht nennen, standhaft zu bleiben. Du kannst mich nicht in Ruhe lassen? Bitte, dann kappe ich alle Kommunikationswege, die du für ach so toll hälst. Echte Freunde scheuen nicht die Mail, den Anruf oder das persönliche Treffen. Wenn dir das nicht passt, darfst du gerne sehr ausführlich meine Kehrseite bewundern.
Wut ende.
Gehab dich wohl, verehrter Mitfreak.
Großartig!!!! Ich bin ganz und gar bei Dir. Noch nie war Deine Gruft für mich so kuschelig wie heute 😉
Was hat es noch mit der allseits gepriesenen (individuellen) Freiheit zu tun, wenn ich mich nicht gegen Facebook, WhatsApp usw. entscheiden darf, ohne Nachteile zu haben?
Ich nutze beides nicht, weil ich es nicht WILL. Und es ist mir völlig wumpe, ob jemandem meine Argumente dafür oder dagegen reichen.
Ich werde mich auch, so lange es irgend geht, gegen mobiles Internetbanking oder Zahlen per Smartphone wehren. – Ich WILL das nicht! Aber es kommt noch besser : Isch ahbe gar kein Smartphone! – Ehrlich. Auch das WILL ich nicht. Ich WILL nicht pausenlos online oder erreichbar sein. Und wenn ich es MUSS, dann gehöre ich da nicht hin. (Was dazu führt, dass ich mich seit jüngerer Vergangenheit häufiger „außerirdisch“ fühle.)
Allerfreundlichste und im Besonderen sehr solidarische (!) Grüße, verehrte Gruftfrau!
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Ich mag deinen Stil.
Ich verweigere auch Gesichtsbuch und Wasist. :paranoia:
Ein Smartphone hab ich auch nicht. Aber das wird sich bald ändern.
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Freut mich 🙂
Smartphones können durchaus sehr hilfreich sein. Allerdings glaube ich, dass sie, egal was man tut, ein Bewegungsprofil an die Appbesitzer senden … in der virtuell vernetzten Kommunikation gibt es wohl keine durchweg süßen Äpfel, die nicht vergiftet sind.
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